1528 stiftete der Staat Bern in Anlehnung an die Almosenordung von Huldrych Zwingli den Mushafen, welcher als Armenstiftung die Aufgabe hatte, zu billigen Preisen eine kräftigende Suppe an Bedürftige auszugeben. Schon bald diente diese Stiftung zunehmend der Unterstützung von armen Schülern und Studenten. Während der Mushafen vor allem durch säkularisiertes Kirchengut dotiert wurde, geht der Schulseckel auf private Stiftungen zugunsten armer Schüler zurück, welche die Berner Burgerschaft seit 1529 tätigte. Weder für die Mushafenstiftung noch für den Schulseckelfonds sind Stiftungsurkunden oder Stiftungsstatuten vorhanden.

Französische Kirche in Bern

Französische Kirche, ehemaliges Dominikanerkloster. In der Sakristei wurde der Mushafen eingerichtet. Ansicht von Nordosten, um 1899,
in: Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Band V, Basel 1969, S. 48.

Nach dem Untergang des Alten Bern und dem Ende der Helvetischen Republik musste im Jahre 1803 die Ausscheidung des bernischen Stadt- und Kantonsvermögens und damit auch die Fortführung der Mushafenstiftung und des Schulseckelfonds geregelt werden. Die Eidgenössische Liquidationskommission, welche mit dieser Aufgabe betraut wurde, definierte den Zweck in der Dotationsurkunde neu. Dergemäss sollten die Einkünfte der Mushafenstiftung teils auf die Unterhaltung studierender Jünglinge in Schulen und Kloster (Hohe Schule und Konvikt der ehemaligen Internats-Studenten im Kloster) und teils zur Unterstützung derselben in den oberen Klassen der Literarschule jährlich verwendet werden, und zwar ohne Unterschied zwischen den Jünglingen der Stadt und denjenigen aus dem übrigen Kanton. Die Einkünfte des Schulseckelfonds hingegen sollten für Prämien an die Jugend in den unteren Schulen (Mittelschulen) und in den Literarschulen, dann für Stipendien zur Unterstützung auf hohen Schulen (Universität) an verdienst- und talentvolle Jünglinge verwendet werden, – und zwar für alle Kantonsbürger. Die Verwaltung als gemeinnützige Stiftungen wurde der Stadt Bern übertragen.

1841 beendet der Dotationsvergleich zwischen der Burgergemeinde und dem Kanton Bern eine auf die Dreissigerjahre zurückgehende Auseinandersetzung über die Güterausscheidung. In diesem Vergleich verzichteten beide Parteien unter anderem auf ihre Eigentumsrechte an der Mushafenstiftung und am Schulseckelfonds. Die Kantonsregierung übernahm die stiftungsgemässe Verwaltung und Verwendung des Vermögens. Das vom Regierungsrat des Kantons Bern im Jahr 1917 erlassene Reglement über die Verwendung des Zinsertrages der Mushafenstiftung und des Schulseckelfonds formulierten die Verwendungszwecke neu. Die Erträge der Mushafenstiftung finanzierten fortan Stipendien der Darlehens- und Stipendienkasse der Universität Bern und Stipendien an Schüler der Quarta bis Oberprima des Städtischen Literar- und Realgymnasiums (inbegriffen Handelsschule). Aus dem Zinsertrag des Schulseckelfonds wurden Preise der Berner Hochschule, Beiträge an Schülerreisen des Städtischen Gymnasiums, das Fädmingerstipendium und Stipendien der Darlehens- und Stipendienkasse der Universität Bern für Studentenaustausch finanziert. Seit der Einführung der staatlichen Stipendien ab der Mitte des 20. Jahrhunderts verloren die Mushafenstiftung und der Schulseckelfonds an Bedeutung.

Im Jahr 1990 schlug der Kanton Bern der Burgergemeinde Bern deshalb vor, die Mushafenstiftung und den Schulseckelfonds zu vereinen mit dem kantonalen Fonds für Härtefälle, aus dem Stipendien bezahlt wurden in Fällen, in denen das kantonale Gesetz keine staatlichen Stipendien zuliess. Ein Gutachten des Staatsarchivs ergab aber, dass eine solche Vereinigung nur durch eine Abänderung des Dotationsvergleichs möglich sei. Dies, weil der Kanton Bern bei einer Vereinigung des kantonalen Fonds für Härtefälle mit der Mushafenstiftung und dem Schulseckelfonds Eigentum an den beiden letzteren erwerbe. Die Idee wurde daraufhin nicht weiterverfolgt, auch weil der Fonds für Härtefälle einige Jahre später aufgehoben wurde.

Mit Beschluss des Regierungsrats des Kantons Bern wurde im Jahr 1999 das Reglement über die Verwendung des Zinsertrages der Mushafenstiftung und des Schulseckelfonds aufgehoben. Die Bildungs- und Kulturdirektion wurde beauftragt, in Zusammenarbeit mit der Burgergemeinde Bern für die Mushafenstiftung (und mitgemeint: den Schulseckelfonds) ein zeitgemässes Reglement zu erarbeiten. Nach längeren Unterbrüchen und weiteren Abklärungen sind die Bildungs- und Kulturdirektion und die Burgergemeinde Bern 2020 übereingekommen, dass die Überführung der Mushafenstiftung und des Schulseckelfonds in eine selbständige Stiftung nach Artikel 80 ff. ZGB den ursprünglichen Zielsetzungen, den Abmachungen im Dotationsvergleich von 1841 und den heutigen Gegebenheiten am besten entspricht. Mit Zustimmung des Regierungsrats des Kantons Bern und des Kleinen Burgerats der Burgergemeinde Bern wurde am 5. Mai 2021 die Stiftung Mushafen im Handelsregister des Kantons Bern eingetragen. Die neue, selbstständige Stiftung bezweckt die finanzielle Unterstützung von Personen, die eine Ausbildung ohne kantonale Ausbildungsbeiträge absolvieren und vorzugsweise im Kanton Bern wohnen.

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